Anwendungsfall im Maschinenbau und in der
Produzierenden Industrie

Digitaler Zwilling

Live-Abbild des gesamten Produktionsprozesses ermöglicht Reaktionen auf Abweichungen in Echtzeit

Typische Problemstellung

Ein „Digitales Modell“ einer Maschine oder Anlage wird bereits früh in deren Entwicklung mit den Konstruktions- und CAD-Daten erzeugt, jedoch können diese keine Aussage über die reale Verwendung der Anlagen machen. Als virtuelles Abbild kann das Digitale Modell zwar das Verhalten der Maschine veranschaulichen, da jedoch zwischen virtuellem Modell und realem Asset keine Verbindung besteht, stellt es keine Live-Repräsentanz der realen Maschine dar. Dagegen stehen beim sog. „Digitalen Schatten“ das virtuelle Abbild und die reale Maschine in direktem Datenaustausch. Zustandsveränderungen des physischen Assets werden mit gewisser Detailtiefe im Digitalen Schatten abgebildet, wovon zielgerichtet Reaktionen abgeleitet werden können. Der „Digitale Zwilling“ schließlich stellt die höchste Form der digitalen Repräsentanz einer realen Maschine oder Anlage dar: Er verhält sich exakt und in Echtzeit wie das reale Asset und bildet sogar alle Veränderungen über den gesamten Produktlebenszyklus ab. Der Digitale Zwilling ermöglicht somit die detailgetreue Simulation von Vorgängen und bietet Potenzial zur Verbesserung und Optimierung von komplexen Prozessen.

Sowohl beim digitalen Modell, digitalen Schatten oder digitalen Zwilling bleibt der Unterschied, dass die virtuellen Abbilder auf einem Rechner oder in der Cloud liegen, während die realen Maschinen und Anlagen als physische Produktionsmittel in den Fertigungsunternehmen stehen. Im Produktionsbetrieb können alle vorhandenen Sensoren in und außerhalb der Maschine große Datenmengen erfassen: sie sammeln Produkt-, Prozess- und Umgebungsdaten. Dabei handelt es sich um wertvolle Daten, da diese aus dem realen Produktionsbetrieb auf dem Shopfloor stammen und die Mannigfaltigkeit des praktischen Einsatzes widerspiegeln. Wie können diese Daten nun übertragen, gespeichert, analysiert und damit nutzbar gemacht werden? Diese Frage stellt sich, falls zu einer solchen Maschine bzw. Anlage bereits ein Digitaler Schatten oder sogar ein Digitaler Zwilling existiert. Verschiedene Anwender haben dabei ein Interesse an sowie einen Nutzen von der Aufbereitung der Daten:

  • der Betreiber in der Fertigung, zur Überwachung und Reaktion auf reale Ereignisse oder zur Optimierung von Prozessen
  • der Maschinen- und Anlagenhersteller, um aus dem realen Einsatz für künftige Produktentwicklungen oder neue Serviceangebote zu lernen
Für alle bleibt dieselbe Herausforderung: Wie können Daten von realen Assets zu ihren virtuellen Abbildern übertragen, ausgewertet und somit das reale Objekt mit seinem virtuellen Modell vernetzt werden?

Lösung mit IIoT-Technologien

In der Regel verfügen moderne Maschinen und Anlagen bereits über eine Vielzahl von netzwerkfähigen Sensoren, insbesondere, wenn zum Beispiel bereits Anwendungsszenarien wie Condition Monitoring oder Predictive Maintenance eingesetzt werden. Damit die Daten dieser Sensoren für virtuelle Abbilder der realen Objekte genutzt werden können, müssen diese Signale zunächst in Echtzeit erfasst, übertragen und gespeichert werden. Der Digitale Schatten einer Maschine oder einer ganzen Anlage ist zwingend auf diese Daten von IIoT-fähigen Modulen aus der realen Welt angewiesen, denn erst dadurch wird er „zum Leben erweckt“ und bildet das Geschehen realitätsnah ab.

Dazu werden die Sensoren, die auf der Feldebene der Maschine installiert sind, über Werkzeuge und Software miteinander vernetzt. Im Rahmen des Industrial Internet of Things (IIoT) ist damit eine kontinuierliche Datenerhebung, Datenspeicherung und Datenweitergabe an den Digitalen Schatten möglich. Bei diesen Schritten unterstützen geeignete IIoT-Softwaretools, von der systematischen Erfassung relevanter Daten bis hin zur Datensynchronisation und Aufbereitung. Der Baustein ‚Collect‘ der IIoT Building Blocks ermöglicht mit dem Modul Data Collector die Erfassung großer Mengen hochfrequenter Daten der Maschine oder Anlage. Dabei unterstützt die Komponente Collector App mit ihrer intuitiven Benutzeroberfläche die einfache Installation sowie Konfiguration.

Steht ein Digitaler Zwilling zur Verfügung, bietet sich zusätzlich der Einsatz des Bausteins Improve an. Die IIoT Buildings Blocks dienen in diesem Fall in der Architektur des Digitalen Zwillings als „Services“, mit deren Hilfe die Daten sowohl vom physischen Objekt als auch vom virtuellen Modell gesammelt und ausgewertet werden. Mithilfe des Digitalen Zwillings können über Simulations- und Vorhersagemodelle Verbesserungen und Optimierungen ermittelt und in die reale Maschine oder Anlage implementiert werden. Außerdem wird damit die sogenannte virtuelle Inbetriebnahme ermöglicht, bei der die Entwicklung und Weiterentwicklung der Steuerungssoftware unabhängig vom Zugriff auf die real existierende Maschine erfolgen kann.

Zwischen dem physischen Asset und dem entsprechenden virtuellen Abbild (Digitaler Schatten, Digitaler Zwilling) besteht somit eine Verbindung, über die Informationen und Daten in Echtzeit ausgetauscht werden. Dadurch können Eigenschaften und Zustände des Objekts erfasst, überwacht sowie das Verhalten simuliert und gesteuert werden. In diesem Zusammenhang spielt die sogenannte Verwaltungsschale eine bedeutende Rolle: Zum realen Asset stellt sie die praktische Umsetzung des Digitalen Zwillings entsprechend des Referenzarchitekturmodells RAMI 4.0 im Sinne von Industrie 4.0 dar. Durch hersteller- und branchenübergreifende Standards wie OPC UA (offener Schnittstellenstandard für die Kommunikation) und ECLASS (merkmalsbasierter Klassifikationsstandard) wird mit der Verwaltungsschale eine einheitliche und sichere Kommunikationsschnittstelle zu unterschiedlichen Systemen und Datenquellen geschaffen. Dies ist gleichzeitig die Voraussetzung für Interoperabilität, also dem barrierefreien Zusammenspiel zwischen verschiedenen Systemen. Der physische Gegenstand ist über die Verwaltungsschale in die  Industrie 4.0-Kommunikation eingebunden und mit seinem virtuellen Abbild gekoppelt.

Vorteile durch den Digitalen Zwilling

Der Einsatz virtueller Abbilder von Maschinen und Anlagen bietet in der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) die Möglichkeit, Produktionsprozesse über Soll-Ist-Vergleiche zu überwachen und zu steuern. Mithilfe geeigneter Softwaretools können die Daten der realen Objekte – die Produkt-, Prozess- und Umgebungsinformationen – dem Digitalen Schatten oder dem Digitalen Zwilling in Echtzeit zur Verfügung gestellt und über IIoT-Technologien von überall zugänglich gemacht werden. Mit Simulationsmodellen ist deshalb eine unabhängigere und bessere Analyse des Praxiseinsatzes und der Zustände von Maschinen oder Anlagenteilen gegeben, als dies in der realen Umgebung möglich ist. Von der Simulation und Optimierung von Prozessen bis hin zur Weiterentwicklung von Produkten gibt es dabei eine Vielzahl an Zielen, denn über den gesamten Produktlebenszyklus steht ein vollständiges Abbild der Maschine bzw. Anlage zur Verfügung. 

Somit ermöglichen hochfrequente Echtzeitdaten es, dass Betreiber von Produktionsmaschinen und -anlagen mithilfe des Digitalen Schattens bzw. des Digitalen Zwillings Fertigungsprozesse analysieren und daraus Erkenntnisse für die Ursachen von Zeitverlusten oder Stillständen erkennen können. Neue Einstellungen, Abläufe und „Was-wäre-wenn“-Szenarien lassen sich vorab im virtuellen Raum testen, bevor diese auf die reale Maschine gespielt werden. Darüber hinaus wäre es zudem möglich, dass mit Hilfe von Algorithmen des Machine Learnings und Methoden der Künstlichen Intelligenz selbstständig und automatisiert Optimierungen durchgeführt werden. Die Virtualisierung der realen Fertigungswelt führt somit schließlich zur Smart Factory mit einer lückenlos digitalisierten Wertschöpfungskette, deren Ziel die Steigerung der Produktivität sowie die Bereitstellung neuer Dienstleistungsangebote für Kunden ist.

Für den Maschinenbau bieten die Daten aus dem Digitalen Schatten bzw. dem Digitalen Zwilling Aufschluss über die reale Verwendung ihrer Anlagen. Die tatsächliche Nutzung, Auslastung wie auch Stillstände können präzise nachvollzogen und für Serviceleistungen, die Produktentwicklung und neue Geschäftsmodelle (Smart Services) genutzt werden. Diese Klarheit über den realen Einsatz macht es möglich, dass kundengerechte Spezifikationen erstellt werden können sowie eine optimale Auslegung der Komponenten durchführt werden kann – der Wunsch eines jeden Produktentwicklers. Dieses Vorgehen verdeutlicht gleichzeitig das Wesen einer fortschrittlichen, datengetriebenen Produktentwicklung. Zusätzlich profitiert auch die strategische Produktpolitik davon, indem die Stufung von Baureihen besser an den Bedarf angepasst, Kostenvorteile erzielt und neue Einsatzfelder erkannt werden.

Alles in allem repräsentiert ein digitales Abbild einer Maschine oder gesamten Fertigungsanlage alle Möglichkeiten der Überwachung, Steuerung und Vorhersage von Maschinen oder Anlagen bis hin zu intelligenten, selbstlernenden Systemen. Die IIoT Building Blocks bieten Unternehmen dabei den analytischen Einblick und gestalten die Lebensader für Daten zwischen realem Objekt und virtuellem Modell.

Was ist ein Digitaler Zwilling?

Der Digitale Zwilling ist das vollständige digitale Abbild bzw. Repräsentanz einer physischen Maschine oder Anlage, auch Asset genannt, im virtuellen Raum einschließlich sämtlicher Geometrie-, Kinematik- und Logikdaten. Er verhält sich exakt so, wie die reale Maschine oder Anlage. Der Digitale Zwilling wird in Echtzeit mit Prozess-, Zustands- und Betriebsdaten gespeist, erlaubt die Simulation, Steuerung und Verbesserung des realen Objekts und bildet somit das reale System über den gesamten Produktlebenszyklus detailgetreu ab.

Was ist ein Digitales Modell?

Das Digitale Modell eines Objekts bildet dessen physische Eigenschaften (z. B. CAD-Daten) virtuell ab, auf deren Grundlage Verhalten, Arbeitsvorgänge und Zeiten simuliert werden können. Die Vorgänge sind repräsentativ, spiegeln allerdings nicht das Live-Verhalten des Assets (z. B. der Maschine) wider. Der Datenaustausch zwischen Modell und realem Objekt erfolgt manuell, weshalb weder eine Veränderung des Zustands des realen Objekts einen direkten Effekt auf das digitale Modell hat noch umgekehrt Veränderungen am Modell direkt zurückgespielt werden.

Was ist ein Digitaler Schatten?

Der Digitale Schatten baut auf den Informationen des Digitalen Modells  auf und verbindet das reale Objekt sowie das virtuelle Modell auf einer ersten, grundlegenden Ebene. Dies bedeutet, dass der Datenfluss zwischen realem Objekt und virtuellem Modell automatisch stattfindet und Veränderungen am physischen Objekt zu einer Zustandsänderung des Digitalen Schattens führen. Auf Änderungen des realen Assets kann nur eingeschränkt reagiert werden, da beim Digitalen Schatten nicht sämtliche Informationen und Zustandsdaten abgebildet werden.

Ihr Ansprechpartner

Möchten Sie nähere Informationen oder Beratung zur Erstellung eines Digitalen Zwillings in Ihrem Unternehmen?
Wir stehen für Ihre Fragen gerne zur Verfügung.

Wolfram Schäfer
Tel.: +49 (0) 7127 / 92 31-0
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